Fall 6
Dr. med. Uwe Auf der Strasse
Karsten D., 40J.
​
​Herr D arbeitet in einem anstrengenden sozialen Beruf. Im Mai 23 litt er an einer langanhaltenden Halsentzündung, von der er sich erst nach Gabe eines Antibiotikums erholte. In der Folge verschlechterte sich aber sein Zustand langsam. Er war häufig sehr müde und unausgeglichen und litt nun unter Schlafstörungen, die ihm vorher unbekannt gewesen waren. Dann entwickelten sich bei dem kräftigen und trainierten Mann unklare Schmerzen der Oberschenkel- und Schultermuskulatur, die bei Belastung noch deutlich zunahmen, sowie Schmerzen des linken Knies, und im weiteren auch Morgensteifigkeit.
​
​1/2024 stellte sich Herr D. in der Praxis vor. Die Toxoplasmose - Checkliste zeigte mit einem Score von 77 ein Risiko für eine chronisch aktive Toxoplasmose an, dass Toxoplasma IgG war 6,8 IU/ml leicht erhöht (der Normwert wurde vom Labor auf 3,0 gesenkt), bei unaufälligem Toxoplasma IgM, damit ist Herr D. eindeutig Toxoplasmoseträger.
Die IgG Antikörper für Chlamydia pneumophilae waren mit 9,3 U/ml (Norm bis 9) leicht erhöht, die IgA Antikörper waren mit 8,4 U/ml (Norm bis 9) geringfügig weniger erhöht. Da jedoch kaum chlamydientypische Symptome bestanden, ergab sich in dieser Hinsicht keine Therapie-notwendigkeit.
​
Anmerkung: In der Regel zeigen die Chlamydien - Antikörpertests eine ausreichende Sensitivität, und nur selten besteht eine behandlungsbedürftige Chlamydienaktivität mit positivem Chlamydien - LTT, wenn die entsprechenden Chlamydien Antikörpertests negativ sind. Allerdings gibt es auch bei diesen gelegentlich falsch positive oder falsch negative Ergebnisse. Eine Entscheidung über eine Therapieindikation sollte also - wie auch bei Toxoplasmen und Borrelien - nie allein aufgrund von Laborergebnissen gefällt werden, entscheidend ist vielmehr ein Abwägen der Symptome und der Labordiagnostik.
​
Die übrigen Laborwerte erbrachten normale Befunde, der Toxoplasma LTT war jedoch mit 23,3 SI deutlich positiv. Da in Bezug auf die Toxoplasmosesymptomatik noch ein intervallartiger Verlauf mit "guten" und "schlechten" Tagen festzustellen war, wurde zunächst nur eine "duale" Therapie verordnet. Hierbei werden nur 2 Kombinationspartner benötigt, dies macht die Therapie einfacher, tendenziell etwas nebenwirkungsärmer, aber auch etwas schwächer.
Bei dieser einfachsten Form der dualen Therapie werden Clindamycin 3 x 300 mg bis 2 x 600 mg für 6 Tage eingenommen, dann Nitrofurantoin 50-100mg 2 x 1 für 6 Tage, sodann in gleichen Dosierungen wieder Clindamycin für 6 Tage und danach wieder Nitrofurantoin für 6 Tage. Diese Therapieform wird in der 3. Auflage des "Toxoplasmose Handbuch" auf S. 224 erläutert, der dazugehörige Therapieplan findet sich auf S. 304. ​
​
wichtige Anmerkung: Nitrofurantoin ist im allgemeinen sehr gut verträglich, kann jedoch in seltenen Fällen Nebenwirkungen in Bezug auf die Lunge auslösen, in solchen Fällen muss es unverzüglich abgesetzt werden, diese Nebenwirkung klingt dann wieder rasch innerhalb weniger Tage ab.
​​
Unter dieser Therapie besserte sich der Toxoplasmose Score innerhalb von 4 Wochen sehr gut von 77 auf 22, dann wurde, wie auch bei anderen Fällen, zur Rezidivprophylaxe diese Therapie nur noch an 3 Tagen pro Woche eingenommen (Mo / Mi / Fr, an Samstag und Sonntag Pause), und das Antibiotikum von Woche zu Woche gewechselt.​ Obwohl so ein gutes Behandlungsergebnis erzielt worden war, nahmen aber nun unter der Prophylaxe die Symptome innerhalb von etwa 3 Wochen wieder zu, der Toxoplasmose - Score stieg wieder auf 38 an.​ Achtung: ein Wiederanstieg des Toxoplasmosescores während der Prophylaxephase ist selten, erfordert aber eine konsequente und zügige Reaktion.
​
​In diesem Fall wurde nun die gleiche rotierende Therapie wie in den Fällen 1, 3, 4 und 5 verordnet: Daraprim 25 mg 2 x 1 und Calciumfolinat 6,35 mg (=Lederfolat) 1 x 1 wurden kontinuierlich eingenommen. Dazu wurde zunächst Cotrim forte 2 x 1 kombiniert, nach 5 Tagen wurde dies auf Clarithromycin 500 2 x 1 gewechselt, nach weiteren 5 Tagen wurde auf Clindamycin 300 mg 3 x 1 gewechselt, anschließend wiederholte sich das Schema wieder. Aufgrund von Nebenwirkungen (Übelkeit, Appetitlosigkeit) wurde das Daraprim nach wenigen Tagen auf 1 x 1 und das Clinda-mycin auf 2 x 300 mg reduziert. Die Toxoplasmosesymptome reduzierten sich nun bei guter Verträglichkeit wieder innerhalb eines Monats und traten auch während der folgenden Prophylaxe nicht mehr auf.
Checkliste
Toxoplasmose Frau / Herr Karsten D.
Alter:…40...Jahre Symptomdauer 6 Monate Intervalle ja / nein
Toxoplasma IgG 23,9 IU/ml IgM 0 AU/ml
LTT 45,6 SI Datum ..... 10.1.2024 Datum ....... 16.4.2024
Behandlung: rotierende Therapie rotierende Therapie
Müdigkeit 0 1 2 3 4 5 6 X 8 9 10 0 1 X 3 4 5 6 7 8 9 10
Muskelschmerzen 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 X 0 1 X 3 4 5 6 7 8 9 10
Konzentrations - 0 1 2 X 4 5 6 7 8 9 10 0 1 X 3 4 5 6 7 8 9 10
störungen
Schweißausbrüche X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kurzatmigkeit 0 1 X 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Antriebslosigkeit 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 X 0 X 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Erschöpfung............................................................................................................................
​
Gereiztheit 0 1 2 3 4 X 6 7 8 9 10 0 X 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Sehstörungen 0 1 2 3 4 5 6 7 X 9 10 0 1 X 3 4 5 6 7 8 9 10
Schwindel 0 1 X 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Depression 0 1 2 3 X 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Ängste 0 1 2 3 X 5 6 7 8 9 10 0 X 2 3 4 5 6 7 8 9 10
​
Morgensteifigkeit 0 1 2 3 4 X 6 7 8 9 10 0 X 2 3 4 5 6 7 8 9 10
​
Wassereinlagerung X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
​
Schlafstörungen 0 1 2 3 4 5 6 7 X 9 10 0 X 2 3 4 5 6 7 8 9 10
​
Gangunsicherheit X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Koordinationsstörung .........................................................................................................
​
Oberbauchdruck X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
​
Kopfschmerzen 0 X 2 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
​
Gelenkschmerzen 0 1 2 3 4 5 6 7 X 9 10 0 X 2 3 4 5 6 7 8 9 10
​
LK – Schwellungen X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 X 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
SCORE 77 14
Nach 30 Tage rotierender Therapie wurde zur Prophylaxe eines Rückfalles noch für 4 Wochen an 3 Tagen pro Woche und für 4 Wochen an 2 Tagen pro Woche weiter behandelt und die Kombination jeweils von Woche zu Woche gewechselt, danach war die Therapie abgeschlossen. Details zur Rückfallprophylaxe finden Sie in meinem Buch unter 12.7, in der 3. Auflage ab S. 227.
​Kommentar: Der Toxoplasma IgG ist mit 6,8 IU/ml erhöht, Herr D. Träger einer Toxoplasmose, wobei die deutlichen Symptome und der erhöhte Toxoplasma LTT von 23.3 SI dafür sprechen, dass eine Reaktivierung einer Toxoplasmose vorliegt, die am ehesten das Resultat einer ausgeprägten beruflichen Belastung und einer ungewöhnlich schweren Halsentzündung ist. ​​Aufgrund der kurzen Krankheitsdauer von erst etwa 6 Monaten waren einige Symptome einer Toxoplasmose wie Konzentrationsstörungen, Schweissausbrüche, Kurzatmigkeit, Schwindel, Koordinationsstörungen und Kopfschmerzen noch nicht vorhanden oder erst schwach ausgeprägt, auch bestand noch ein intervallartiger Verlauf mit "guten" Tagen an denen die Symptome weniger ausgeprägt waren.
​
Ich verschrieb daher zunächst nur eine duale Therapie. Diese ist im Grunde recht einfach und kommt ohne Daraprim aus, weshalb ich sie für weniger schwere Fälle gerne einsetze. Hier war die Wirkung aber offenkundig nicht vollständig, und es kam nach einer anfänglich guten Symptomreduktion während der Prophylaxephase zu einem Rückfall, weshalb ich auf eine stärkere Rotationstherapie umstellte, die entsprechend effektiver war. Diesmal kam es während der Prophylaxephase zu keinem erneuten Anstieg der Toxoplasmaaktivität, Herr D. ist seit der Therapie wieder gesund und voll arbeitsfähig.
​
​